Ratgeber



Frau mit Wollmütze und Wollhandschuhen nimmt in einem Eisloch ein Eisbad.

Heiß und kalt gegen den Schmerz

Therapeutische Temperaturreize
Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie Sauna und Kältekappen sogar vorbeugend wirken können. Doch was passiert dabei im Körper, welche Erkrankungen lassen sich damit behandeln und wann muss man mit extremen Temperaturreizen aufpassen?
  • Therapie mit Tradition

    Unsere Vorfahren kannten sich mit der therapeutischen Wirkung von Wärme gut aus: Archäologische Funde belegen zum Beispiel, dass wärmende Kirschkernkissen schon vor dem 15. Jahrhundert genutzt wurden. Im alten Ägypten nahm man heiße Steine und Sandsäcke, um Schmerzen zu lindern. Die römischen Thermen waren berühmt für ihre Heilwirkung durch heißes Wasser und heiße Dämpfe. Und eine bestimmte Form der Wärmetherapie, das Moxa-Brennen, wird seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin praktiziert.

    Ähnlich sieht es mit Kälteanwendungen aus: Medizinische Texte aus der Zeit vor Christi Geburt dokumentieren Kältebehandlungen bei Verletzungen. Auch Hippokrates und Galen empfahlen Eis und kaltes Wasser für die Therapie von Prellungen und Entzündungen. Arabische Ärzte wie Avicenna propagierten im Mittelalter kalte Umschläge gegen Fieber.

    Wärme- und Kälteanwendungen konnten auch durch die moderne Medizin nicht verdrängt werden. Sie sind auch heute ein wichtiger Bestandteil von Behandlungen. Im Rahmen der physikalischen Therapie werden Temperaturreize sowohl in traditioneller Weise, aber auch in neuen Anwendungsarten wie z.B. Kältekammern erfolgreich eingesetzt.

    TRP-Kanäle reagieren auf Kälte und Wärme

    Früher beruhte der Einsatz von Kälte und Wärme gegen Schmerzen auf Erfahrungsmedizin, also auf Beobachtungen von Patient*innen, die damit behandelt werden. Seit Kurzem verstehen Forschende jedoch genauer, warum Wärmepflaster oder Coolpacks schmerzlindernd wirken: In der Haut befinden sich Nervenfasern mit temperaturempfindlichen Rezeptorkanälen (TRP-Kanäle). Sie reagieren auf definierte Temperaturveränderungen. Durch ihre Reaktion werden verschiedene Vorgänge im Körper angestoßen.

    Wärme aktiviert insgesamte vier TRP-Kanäle. Einer davon wird auch durch Capsaicin, einem Inhaltsstoff der Paprika angeregt. Die Aktivierung dieser Kanäle an den Nervenendigungen in der Haut löst drei Mechanismen aus:

    • Es kommt zur Stimulation von Nervenzentren im Gehirn, die wiederum schmerzlindernde Nervenbahnen im Rückenmark beeinflussen. Dadurch wird der Schmerz abgeschwächt.
    • Wo Pflaster oder Wärmekissen aufliegen, steigt die Temperatur im Gewebe. Dadurch wird die Durchblutung verbessert, was wiederum den Stoffwechsel ankurbelt und Heilungsprozesse beschleunigt.
    • Die Wärme macht auch das Bindegewebe elastischer. So erklärt man sich, dass Wärme die Beweglichkeit bei schmerzender Muskel- und Gelenksteifigkeit verbessert.

    Auch für die Kälte gibt es TRP-Kanäle an den Nervenfasern. Zwei wurden bisher identifiziert: TRPA1 übermittelt bei Hauttemperaturen (nicht Außentemperaturen!) unter 17° C Signale an das Gehirn und ist damit an der Wahrnehmung extremer Kälte beteiligt. TRPM8 wird bei einer Hauttemperatur von 25-27° C aktiviert – und durch chemische Substanzen wie Menthol. Nach Aktivierung von Kältekanälen kommt es zu folgenden Reaktionen:

    • Schmerzleitende Signale werden abgeschwächt, das Schmerzempfinden deshalb vermindert.
    • Der Transkriptionsfaktor Nrf2 wird aktiviert. Dieses Protein reguliert bestimmte Gene in den Zellen und spielt eine Rolle bei entzündungshemmenden und zellschützenden Prozessen.
    • Durch das Sinken der Gewebetemperatur wird die Durchblutung gedrosselt. Dadurch gelangen weniger entzündungsfördernde Enzyme und Hormone in das Gewebe, Entzündungen werden dadurch gemildert.

    Hinweis: Entdeckt wurden die TRP-Kanäle vom US-amerikanischen Sinnesphysiologen Prof. Dr. David Julius. Er hielt dafür im Jahr 2021 den Nobelpreis für Medizin.

    Wo kommt Wärme zum Einsatz?

    Wärme wird auf zweierlei Weise angewendet. Tradition hat die lokale Therapie, also die direkte Anwendung auf der Haut. Dies geschieht mithilfe von

    • Wärmeflaschen, elektrischen Wärmekissen oder in der Mikrowelle (früher auf dem Ofen) aufgeheizten Kirschkernkissen
    • Rotlicht und Fangopackungen
    • Wärmekompressen oder Wärmepflaster auf chemischer Basis, ohne spezielle Wirkstoffe
    • Wärmepflaster oder Wärmecremes/-salben mit speziellen Wirkstoffen wie Capsaicin, dem Capsaicin-Analogon Nonivamid oder gefäßerweiternden Substanzen (z.B.) Nicoboxil

    Eine solche lokale Wärmetherapie ist bei verschiedenen Erkrankungen wirksam. Dazu gehört die Behandlung von Muskelkater und Rückenschmerzen, aber auch die Vorbeugung von nächtlichen Wadenkrämpfen. Ein weiteres Einsatzgebiet lokaler Wärme sind Schmerzen und Krämpfe im Rahmen der Menstruation. Dabei soll die Wärme auf Bauch und Unterleib ähnlich wirksam sein wie Schmerztabletten. Das beruht nicht nur auf einer Beseitigung von Muskelverspannungen. Die Wärme fördert auch die Durchblutung des Beckens. Dadurch werden Körperflüssigkeiten und Blut besser abtransportiert und der Druck auf Nervenbahnen im Becken nimmt ab.

    Wärme kann außerdem bei der rheumatoiden Arthritis die Gewebeelastizität verbessern und dadurch die Gelenksteifigkeit reduzieren. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Wärme nur in entzündungsfreien Phasen der Erkrankung angewendet wird. Ist die Krankheit aktiv, schadet Wärme. Denn durch die verbesserte Durchblutung wird die Entzündung weiter angetrieben.

    Doch nicht nur lokale Wärme hat positive Wirkungen. Wird der ganze Körper in der Sauna aufgeheizt, wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Dadurch lernt der Körper, besser mit Hitze fertig zu werden. Außerdem reagiert er auf zellulärer Ebene schneller auf extreme Reize. Insgesamt werden antioxidative, entzündungshemmende und zellschützende Prozesse angestoßen. Infolgedessen verbessert sich die Funktion der Gefäßinnenhaut und das Risiko für Atemwegsinfekte sinkt.

    Für manche Menschen ist Wärme als Therapie allerdings nicht geeignet. Patient*innen mit Diabetes mellitus leiden z. B. häufig an Nerven- oder Durchblutungsstörungen. Sie müssen mit Wärme besonders vorsichtig umgehen: Eine zu heiß befüllte Wärmeflasche kann bei gestörtem Schmerz- oder Temperaturempfinden leicht zu Verbrennungen führen. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer anderen Ursache an einer Nervenstörung leiden. Auch das Saunieren wird in einigen Situationen nicht empfohlen. Das gilt für Personen mit instabiler Angina pectoris, fiebriger Erkrankung oder verminderter Schweißbildung, aber auch für Patient*innen nach einem Herzinfarkt.

    Hinweis: Wärmepflaster- und cremes mit und ohne pharmakologische Inhaltsstoffe sind in der Apotheke zu haben. Dort erhält man auch eine ausführliche Beratung, welche Form der Wärmeapplikation für die jeweiligen Beschwerden am besten geeignet ist.

    Was Kälte alles kann

    Die Kältetherapie hat ebenfalls seit je her zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehören insbesondere

    • Akute Verletzungen wie Zerrungen und Prellungen. Durch die kältebedingte Verringerung der Durchblutung werden Schwellungen und Schmerzen reduziert.
    • Rheumatische Erkrankungen. Kälte führt im akuten, entzündlichen Stadium zu einem Rückgang der entzündlichen Reaktion und zu einer Verminderung von Gelenkschwellungen.
    • Schmerztherapie. Durch Verringerung der Durchblutung wird die Ansammlung von schmerzauslösenden Substanzen im Gewebe vermindert. Außerdem verlangsamt Kälte die Weiterleitung von Schmerzimpulsen entlang der Nervenbahnen.
    • Regeneration beim Sport. Kälteanwendungen können die Intensität und die Dauer von Muskelkater verringern.

    Zum Kühlen gibt es neben dem klassischen Eiswürfelbeutel auch Sprays, Eislollys, Kältekompressen und Kühlgele.

    Kältespray wird insbesondere bei Sportverletzungen, Prellungen und Verstauchungen eingesetzt. Dazu sprüht man es aus mindestens 20 cm Entfernung auf die Haut. Zu beachten ist dabei, dass zu langes Sprayen zu Erfrierungen führen kann.

    Eislollys kommen vor allem bei Sehnenansatzschmerzen und in der Sportmedizin zum Einsatz. Man kann sie mit einem Joghurtbecher, Wasser und einem Holzspatel selbst herstellen. Sie werden mit kreisenden Bewegungen auf dem betroffenen Areal bewegt, wobei das Schmelzwasser kontinuierlich mit einem Handtuch aufzunehmen ist.

    Kältekompressen helfen besonders gut bei Insektenstichen, stumpfen Verletzungen, Zahnschmerzen oder akuten Muskel- und Gelenkentzündungen. Es gibt sie als Gelkompressen (oder Cool-Packs), die im Eisfach gelagert und bei Bedarf auf die betroffene Stelle gelegt werden. Chemische Kompressen kühlen, nachdem der Innenbeutel durch Druck zum Platzen gebracht wurde. Für beide Arten gilt: Immer ein Tuch zwischen Haut und Kompresse legen, denn ein direkter Hautkontakt mit der konstanten Kälte kann zu Erfrierungen führen. Außerdem sollte in Intervallen, also nicht permanent gekühlt werden.

    Kühlgel mit Menthol oder Alkohol erfrischt müde Füße, Arme und Beine. Es wird auf die Haut aufgetragen und leicht einmassiert. Für Kinder unter sechs Jahren sind solche Kühlgele nicht geeignet, weil sie die empfindliche Haut reizen. Schwangere sollte vor allem mentholhaltige Gele meiden. Das ätherische Öl kann vorzeitige Wehen auslösen.

    Eine relativ neue Art der lokalen, also örtlichen Kälteanwendung ist die Kältekappe. Sie soll gegen den durch Chemotherapie ausgelösten Haarausfall helfen. Denn die Chemotherapie wirkt besonders auf Zellen, die sich schnell teilen: und das sind neben den Krebszellen auch die Haarfollikelzellen. Bei dieser vorbeugenden Therapie wird die Kopfhaut während der Chemo mit einer Spezialkappe gekühlt, in der -4° C kalte Flüssigkeit zirkuliert. Die Haarfollikelzellen fahren aufgrund der kältebedingt verringerten Hautdurchblutung ihren Stoffwechsel herunter und sind deshalb weniger anfällig für die Chemotherapeutika. In Studien mit Brustkrebspatientinnen konnte die Kältekappe bei der Hälfte der Frauen den Haarverlust auf weniger als 50% verringern. An einigen Kliniken wird dieses Scalp-Cooling bereits eingesetzt. Unklar ist allerdings noch, ob die herabgekühlte Kopfhaut nicht auch zirkulierende Tumorzellen schützt, die später zu einer Metastasierung führen könnten.

    Neben den verschiedenen örtlichen Kälteanwendungen wird auch die Ganzkörper-Kältetherapie immer populärer. Dafür setzt man den Organismus in Kältekammern für wenige Minuten Temperaturen unter -100° C aus. Eine Alternative zu den Kammern ist das Eintauchen des Körpers bis zum Brustbein in 4° C kaltes Wasser. Von dieser Kältebehandlung verspricht man sich den Rückgang von Entzündungen und Schmerzen sowie eine bessere Regeneration nach sportlicher Belastung.

    Nachgewiesen sind positive Effekte auf die rheumatoide Arthritis und auf die Fibromyalgie. Daneben soll der Kälteschock auch Psyche und Wohlbefinden verbessern, auf das Immunsystem wirken und das Körperfettgewebe beeinflussen. Wie die Ganzkörperkältetherapie wirkt, ist noch nicht völlig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Freisetzung von Noradrenalin, die Abnahme entzündungsfördernder Botenstoffen und die Verlangsamung von Stoffwechselaktivitäten.

    Hinweis: Genauso wie die Sauna ist auch die Ganzkörper-Kältetherapie nicht für alle Menschen geeignet. Weil dabei Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz steigen, sollten Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor solchen Kälteanwendungen immer ihre Ärzt*in konsultieren.

    Quellen: Esch J, DAZ 2024; 15: 42; Morvilius S, Erfahrungsheilkunde 2022: 3: 153-157


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Seniorin und Enkelin bereiten einen Salat zu.

Hochbetagte gut ernähren!

Mit Fingerfood und Supplementen
Im Alter gibt es etliche Gründe, warum es zu einer Mangelernährung kommen kann. Sie reichen vom natürlichen Schwächerwerden der Organe über Nebenwirkungen von Medikamenten bis hin zu ungünstigen Lebensumständen. Vor allem Hochbetagte nehmen oft zu wenig Energie und Nährstoffe auf. Doch mit genügend Flüssigkeit und einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Vitaminen und Kalzium lässt sich ernährungsbedingten Mangelerscheinungen vorbeugen.
  • Altern geht auf Darm und Nieren

    Das Alter ist heute kein kurzer Lebensabschnitt mehr. Im Gegenteil - Menschen in Deutschland werden immer älter. Während die Lebenserwartung für 1950 geborene Jungen und Mädchen noch bei knapp 65 bzw. 69 Jahren lag, beträgt sie für 2022 geborene Kinder 78 bzw. 83 Jahre. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen – das definitionsgemäß mit 75 Jahren anfängt.

    In diesem Alter gesund und leistungsfähig zu bleiben, ist nicht selbstverständlich. Denn der Organismus verändert sich mit den Jahren. Von den physiologischen, also natürlichen Alterungsprozessen, sind nahezu alle Organsysteme und Gewebe betroffen. Muskelmasse, Knochenmasse und die Menge an Körperwasser nehmen ab. Im Gegenzug erhöht sich der Fettanteil, vor allem das Eingeweidefett, das sich im Bauch rund um die Organe herum befindet. Die Organe selbst werden durch eine geringere Durchblutung und Alterungsprozesse kleiner und büßen an Leistung ein.

    Das zeigt sich besonders deutlich an der Niere: Sie kann im Alter nicht nur Fremd- oder Giftstoffe schlechter ausscheiden. Zudem findet ein wichtiger Schritt zur Aktivierung von Vitamin D oft nicht mehr so gut statt. Dann kommt es zu Vitamin-D-Mangel und Knochenbrüchigkeit. Auch der hochbetagte Darm arbeitet nicht mehr so gut wie in jungen Jahren. Die Zellerneuerung der Darmschleimhaut dauert länger, wodurch die Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen vermindert ist. Die geringere Nervensensibilität im Enddarm begünstigt zudem die Verstopfung.

    Ältere Menschen essen außerdem oft einfach weniger, weil sie weniger Appetit haben. Dahinter stecken ein abnehmender Geschmacks- und Geruchssinn und ein schnelleres Sättigungsgefühl – verursacht dadurch, dass sich der alte Magen weniger gut dehnen kann. Auch das Durstempfinden sinkt mit dem Alter.

    Hinweis: Viele Hochbetagte haben Probleme mit dem Kauen, sei es durch schadhafte Zähne oder eine schlecht sitzende Zahnprothese. Auch deswegen nehmen sie oft weniger Kalorien und Nährstoffe auf. Um dem entgegenzusteuern, ist es auch im vorgerückten Alter wichtig, regelmäßig die Zahnärzt*in aufzusuchen.

    Medikamente und Einsamkeit als Appetitkiller

    Neben diesen natürlichen Alterungsvorgängen gibt es noch einen entscheidenden weiteren Faktor für eine gestörte Aufnahme von Nährstoffen: Alte Menschen leiden vermehrt unter chronischen Erkrankungen und benötigen häufig eine große Anzahl von Medikamenten. Von etlichen Wirkstoffen ist jedoch bekannt, dass sie die Aufnahme von Mengen- oder Spurenelementen behindern. Beispiele sind

    • Protonenpumpenhemmer (PPI). Diese bei Gastritis oder Magenulkus eingesetzten Wirkstoffe verringern die Aufnahme von Mikronährstoffen über die Darmschleimhaut.
    • Antidepressiva, Anticholinergika, Promethazin. Diese Wirkstoffe lösen eine Trockenheit im Mund aus und bewirken dadurch häufig, dass alte Menschen weniger essen.
    • Herzglykoside und nichtsteroidale Antirheumatika. Sie führen oft zu Übelkeit, Bauchschmerzen und Verstopfung und schränken damit den Appetit ein.
    • Entwässerungsmittel. Diuretika sind harntreibend und können eine vermehrte Ausscheidung der wichtigen Nährstoffe Zink, Magnesium oder Kalium verursachen.
    • Statine zur Cholesterinsenkung. Diese Medikamente hemmen in der Leber die Synthese von Coenzym Q10.

    Hinweis: Auch die Psyche hat einen Einfluss auf den Ernährungszustand. Einsamkeit und Depressionen können dazu führen, dass die Lust am Essen verloren geht.

    Wozu führt Mangelernährung und wie häufig ist sie?

    All die genannten Prozesse können zu einer Mangelernährung führen. Dabei lassen sich zwei Formen unterscheiden, die jedoch in vielen Fällen auch kombiniert auftreten:

    Bei der quantitativen Mangelernährung bekommt der Organismus nicht genügend Energie, d.h. die Kalorienzufuhr ist langfristig geringer als der Kalorienbedarf. Typisches Anzeichen dafür ist die Gewichtsabnahme.

    Von einer qualitativen Mangelernährung spricht man, wenn der Mensch nicht genügend Eiweiß, Vitamine und Mengen- oder Spurenelemente aufnimmt – das kann sogar bei Übergewicht der Fall sein.

    Eine zu geringe Aufnahme von Energie und Nährstoffen kann zahlreiche Folgen haben. Müdigkeit und Antriebslosigkeit gehören ebenso dazu wie körperliche Schwäche und Störungen beim Denken und Konzentrieren. Häufig ist die Mangelernährung auch mit einer zu geringen Aufnahme von Flüssigkeit verbunden und es kommt zur Austrocknung des Körpers. Eine solche Dehydratation macht sich durch trockene Haut und Schleimhäute, eine rissige Zunge und Schwindel beim Aufstehen bemerkbar.

    Auch ganz spezielle Folgen drohen. Bei einem Mangel an Vitamin D und/oder Kalzium entwickelt sich leicht eine Osteoporose und das Risiko für Knochenbrüche steigt. Eine zu geringe Versorgung mit Vitamin B12 und Folsäure führt zu einer Anämie, was die Antriebsschwäche zusätzlich verstärkt. Nährstoffmangel stört zudem die Wundheilung und erhöht die Gefahr für das Wundliegen (Dekubitus).

    Hinweis: Mangelernährung im Alter ist häufig. In einer Untersuchung an über 2000 Pflegeheimbewohner*innen wiesen knapp 17% einen Body Mass Index unter 20 auf und waren damit nach WHO-Definition für Senior*innen über 65 Jahren untergewichtig.

    Mangelernährung vorbeugen – so geht´s

    Mit steigendem Alter nimmt das Risiko für eine Mangelernährung zu. Ist ein alter Mensch quantitativ mangelernährt, also untergewichtig, ist es sehr schwer, wieder Gewicht aufzubauen. Diesem Zustand sollte frühzeitig aktiv entgegengesteuert werden. Dabei muss nicht nur auf ausreichend Energie in Form von Kalorien, sondern auch auf die Nährstoffe geachtet werden.

    Kalorien. Der Energiebedarf von Senior*innen ist geringer als bei jüngeren Erwachsenen. Bei wenig Bewegung benötigen Frauen etwa 1700 Kilokalorien täglich und Männer 2100. Die Ernährung soll an diesen Bedarf angepasst und bei Untergewicht patientenverträglich erhöht werden. Basis ist eine gesunde abwechslungsreiche Mischkost, die ausreichend Nährstoffe und Eiweiß beinhaltet.

    Eiweiß. Für Männer und Frauen über 65 Jahren empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) die tägliche Aufnahme von 1 bis 1,2 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Wurde schon eine Sarkopenie, also ein verstärkter Muskelabbau, diagnostiziert, sind sogar 1,2 bis 1,5 g pro kgKG erforderlich. Um diese Menge gut aufzunehmen, sollte das Eiweiß über drei Hauptmahlzeiten hinweg verteilt werden. Eiweißreich sind neben Fleisch und Milchprodukten auch Eier, Lachs, Thunfisch auch Tofu, Quinoa, Brokkoli und Spinat.

    Flüssigkeit. Ältere Erwachsene sollten über Getränke und Nahrung etwa 1,5 l Flüssigkeit zu sich nehmen. Neben Wasser, ungesüßtem Tee oder Kaffee sind dafür Gemüsesuppen und wasserhaltiges Obst gut geeignet. Bei Herz- oder Nierenerkrankungen muss die aufgenommene Flüssigkeitsmenge entsprechend angepasst werden.

    Hinweis: Beim Vorliegen oder Drohen einer Mangelernährung sollte die behandelnde Ärzt*in immer die eingenommenen Medikamente überprüfen. Manche Wirkstoffe lassen sich durch andere, mit weniger Nebenwirkungen behaftete Substanzen ersetzen.

    Auf kritische Nährstoffe achten

    Energie, Eiweiß und Flüssigkeit sind nur ein Teil einer gesunden Ernährung im Alter. Wichtig ist zudem, ausreichend Nährstoffe aufzunehmen. Dies ist mit einer gesunden, ausgewogenen Kost aus nährstoffdichten Lebensmitteln recht gut zu bewerkstelligen. Es gibt allerdings drei Komponenten, die bei Hochbetagten zu den sogenannten kritischen Nährstoffen gehören und auf die besonders zu achten ist - Vitamin D, Kalzium und Vitamin B12.

    Vitamin D. Bei alten Menschen ist ein Vitamin-D-Mangel sehr wahrscheinlich. Das liegt daran, dass die Haut weniger Prävitamin D produziert und die Niere diese Vorstufen weniger gut aktivieren kann. Deshalb wird alten und hochbetagten Menschen empfohlen, neben ihrer gesunden Ernährung Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Die entsprechende Dosis sind 20 Mikrogramm am Tag.

    Kalzium. Um Knochen und Muskeln zu stärken, sind zusätzlich 1000 mg Kalzium nötig. Diese Menge kann man aus kalziumreichen Mineralwässern, Milchprodukten und oxalarmen Gemüse wie Brokkoli beziehen. Für eine ausreichende Kalziumaufnahme von etwa 1050 mg reicht z.B. der tägliche Verzehr von 150 ml Milch oder Buttermilch plus 150 g Joghurt plus 50 g Emmentaler Käse aus. Ist dies nicht möglich, kann Kalzium auch zusätzlich als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden.

    Vitamin B12. Desweiteren empfiehlt die DGE älteren Menschen, regelmäßig ihren Vitamin B12-Status kontrollieren zu lassen. Denn ein Vitamin-B12-Mangel lässt die Blutspiegel von Homocystein ansteigen, was das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall sowie für venöse Thrombosen erhöht. Außerdem begünstigt ein Vitamin-B12-Mangel Anämien und Nervenstörungen. Liegt ein Mangel vor, muss dieser unter ärztlicher Aufsicht beseitigt werden. Das gelingt mit Tabletten oder über intramuskuläre Injektionen, die jeweilige Dosierung ist individuell anzupassen. Immer soll B12 zugeführt werden, wenn gleichzeitig Protonenpumpenhemmer eingenommen werden. Das Gleiche gilt bei veganer bzw. vegetarischer Ernährung.

    Hinweis: In Einzelfällen können durch eine reduzierte Nahrungsaufnahme oder einseitige Ernährung auch Mineralstoffe wie Zink, Eisen, Jod oder Selen verringert sein. Bei entsprechenden beschwerden ist es jedoch vor einer Ergänzung mit Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll, einen Mangel von der Ärzt*in durch Blutuntersuchungen nachweisen zu lassen.

    Allgemeine Tipps für mehr Lust am Essen

    Unabhängig von altersbedingten Veränderungen des Organismus und der Medikamenteneinnahme haben Hochbetagte oft weniger Lust, zu essen. Hier können einige Tipps helfen:

    • abwechslungsreiches, appetitanregendes Essen anbieten, Wunschkost erfüllen
    • neben den drei Hauptmahlzeiten mindestens zwei energie-/proteinreiche Zwischenmahlzeiten anbieten, z.B. Joghurt oder Käsewürfel
    • für aufrechte Haltung sorgen, möglichst im Sitzen essen lassen
    • gemeinsam mit Familienmitgliedern essen
    • für entspannte Atmosphäre beim Essen sorgen, Zeitdruck vermeiden
    • geeignete Hilfsmittel einsetzen (Schnabeltasse, Unterstützung beim Schneiden)
    • regelmäßig Zähne und Prothesen kontrollieren lassen
    • bei Kau- und Schluckproblemen leicht zu verzehrende Speisen reichen.

    Fingerfood ist auch für alte Menschen eine gute Möglichkeit, ohne Besteck zu essen. Die Portionen sollten nicht größer als ein bis zwei Bissen sein, leicht zu greifen und zu kauen und in der Konsistenz nicht zu klebrig. Bei Gewichtsverlust eignen energiereiche Soßen als Dip, die z.B. mit Ölen, Sahne oder Nussmuß angereichert werden. Für warme Mahlzeiten bieten sich Gemüsekuchen oder Pizza in Stücken, Hähnchenbruststreifen, kleine Bratlinge aus Fleisch oder Gemüse, Kroketten, Gnocchi und Fischstäbchen an.

    Tipp: Gute Rezepte für Fingerfood für alte Menschen finden sich in der Rezeptdatenbank der DGE nach Eingabe „Fingerfood“.

    Quellen: DGE,  DAZ 2024, Nr. 9, S. 34, abgerufen am 27.07.2024


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Erschöpfte junge Frau sitzt auf einem Fensterbrett.

Kampf der Fatigue

Unendlich erschöpft
Nach körperlicher oder seelischer Anstrengung erst einmal eine Pause zu brauchen, ist ganz normal. Meist kommt man mit Ausruhen wieder in Schwung. Bei der Fatigue ist das anders: Diese außerordentliche Erschöpfung tritt ohne Ursache auf und lässt sich durch Erholung nicht lindern. Wie können sich die Betroffenen helfen?
  • Seele, Geist und Körper erschöpft

    Von einer Fatigue (der Begriff fatigo kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Ermüdung) spricht man, wenn Müdigkeit, Erschöpfung und Schwäche dauerhaft anhalten und sich durch Ausruhen oder Schlaf nicht lindern lassen. Erschöpft ist dabei nicht nur der Körper – auch Seele und Geist sind von der außerordentlichen Müdigkeit betroffen.

    Fatiguepatient*innen haben keinerlei Energiereserven und fühlen sich schon bei geringsten Aktivitäten überlastet. Oft tritt die Erschöpfung plötzlich und ohne jede vorangegangene Anstrengung auf. Weitere Beschwerden sind

    • körperliche Schwäche,
    • Störungen von Konzentration und Gedächtnis,
    • Schlafstörungen,
    • Herzrasen und Schwindel als Zeichen von Kreislaufstörungen,
    • vermehrte Anfälligkeit für Infektionen und
    • depressive Verstimmung und Reizbarkeit.

    All diese Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität stark. Den Betroffenen fehlt oft schon die Kraft für kleine Hausarbeiten. Viele schaffen es nicht mehr, an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Wenn sie noch arbeiten gehen, muss auch ihr Berufsleben an die geringere Belastbarkeit angepasst werden. Durch diese Erschwernisse gelangen Menschen mit Fatigue häufig sozial in eine Isolation.

    Woher kommt die Erschöpfung?

    Die Ursachen der Fatigue sind nicht geklärt. Vermutet wird ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die sowohl auf den Stoffwechsel als auch auf das Immunsystem wirken. Der Energiehaushalt ist gestört und auch geistig erholen sich Betroffene nur schwer.

    Menschen mit Krebs oder chronischen Erkrankungen wie Rheuma oder Multiple Sklerose sind besonders oft von einer Fatigue betroffen. Aber auch Virusinfektionen können zu einem chronischen Fatigue-Syndrom führen – ein Beispiel dafür ist das Pfeiffersche Drüsenfieber, das durch das Ebstein-Barr-Virus ausgelöst wird. Weitere Auslöser sind psychische Belastungen, schwere Schlafstörungen und Nebenwirkungen von Medikamenten.

    Daneben kann die Fatigue auch als eigenständige Erkrankung auftreten. Dann wird sie chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CSF) genannt. Als Ursache gelten Autoimmunmechanismen, die durch einen Trigger wie z.B. Virusinfektionen ausgelöst werden. Expert*innen bringen z.B. die Infektion mit dem Coronavirus mit ME/CSF in Zusammenhang: Vor der Coronapandemie sollen in Deutschland etwa 250000 Menschen von dieser Erkrankung betroffen gewesen sein, danach doppelt so viele. Beim ME/CSF sind vermutlich die Mitochondrien gestört, also die Kraftwerke der Zellen. Weil der Körper nicht ausreichend mit Energie versorgt werden kann, fährt der Stoffwechsel herunter – ähnlich wie bei Tieren im Winterschlaf. Dabei sind die Beschwerden noch ausgeprägter und langanhaltender als bei der „normalen“ Fatigue. Typisch für die Erkrankung ist, dass im Gegensatz zu den anderen Formen der Fatigue sich die Beschwerden nach Aktivität (wozu schon Gespräche oder Zähneputzen zählen) extrem verschlimmern können. Dieser Zustand wird Post-Exerzionale Malaise genannt.

    Hinweis: Fatigue tritt sehr häufig bei Krebspatient*innen auf. 60-90% leiden während der Tumortherapie darunter, und bis zu 50% auch noch lange Zeit nach dem Ende der Behandlung.

    Fatigue erkennen – eine Herausforderung

    Lang wurde die Fatigue nicht richtig ernst genommen. Von Verwandten, vom Freundes- und Kollegenkreis und auch von behandelnden Ärzt*innen kam häufig der Rat, sich gründlich auszuruhen und sich dann „zusammenzureißen“. Inzwischen weiß man mehr über die Fatigue, weshalb die Erkrankung auch öfter diagnostiziert wird.

    Die Schilderung der Beschwerden gibt meist schon deutliche Hinweise auf eine Fatigue. Entscheidend ist, dass die Abgeschlagenheit und Erschöpfung unabhängig von Belastungen auftreten und Ruhephasen keine Erholung bringen. Unterstützend für die Diagnose ist das Vorliegen typischer Ursachen, wie chronische Erkrankungen oder eine Krebsbehandlung. Desweiteren schließt die Ärzt*in mittels Laboruntersuchungen andere Ursachen für chronische Erschöpfung aus. Insbesondere sind das die Schilddrüsenunterfunktion, Hormonstörungen oder eine Blutarmut. Auch Depressionen führen oft zu einer abgrundtiefen Erschöpfung. Hier ist es anspruchsvoll zu unterscheiden, ob eine Fatigue die Verstimmung auslöst oder ob die Depression zur Abgeschlagenheit führt. Das ist wichtig, denn es beeinflusst die Therapie.

    Beim Verdacht auf ein chronisches Fatigue-Syndrom können spezielle Fragebogen bei der Diagnose helfen. Darin wird eine detaillierte Liste von Kriterien abgefragt, die mindestens sechs Monate lang vorliegen müssen.

    Hinweis: Ein Energietagebuch kann sowohl zur Diagnose als auch beim Leben mit Fatigue hilfreich sein. Darin notiert man die Aktivitäten, die Ruhezeiten und das Ausmaß der Beschwerden. So lassen sich Über- und Unterforderungen besser erkennen und ausbalancieren.

    Fatigue behandeln

    Liegt der Fatigue eine chronische Erkrankung zugrunde, sollte diese umfassend therapiert werden. Ob sich verantwortliche Medikamente absetzen oder austauschen lassen, muss die behandelnde Ärzt*in beurteilen. Insgesamt gibt es folgende therapeutische Optionen:

    • körperliches Training
    • psychologische Unterstützung
    • Mind-Body-Therapien
    • Medikamente

    Training. Fatigue lässt sich durch körperliche Aktivität verringern. Damit beginnt man am besten schon im Alltag: Kleine Wege zu Fuß zurückzulegen statt mit dem Auto zu fahren und die Treppe statt des Lifts zu benutzen, erhöhen das Aktivitätslevel. Besonders wirksam ist Sport unter Anleitung. Am besten zwei- bis dreimal die Woche, wobei Ausdauer- und Krafttraining kombiniert werden sollten. Vorher ist es sinnvoll, sich ärztlich untersuchen zu lassen und einen Trainingsplan aufzustellen.

    Als geeignete Sportarten für Menschen mit Fatigue gelten Nordic Walking, Radfahren und Yoga. Wichtig ist die Dosierung der Belastung. Am besten fängt man langsam an und steigert dann vorsichtig die Intensität. Training in der Gruppe ist für viele besonders motivierend. Wer das möchte, kann sich von seiner Ärzt*in Reha-Sport verodnen lassen. Je nach Rezept übernehmen die Krankenkassen für eine gewisse Anzahl von Stunden die Kosten.

    Menschen mit einem chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CSF) müssen bei körperlichen Aktivitäten etwas aufpassen. Bei ihnen können Aktivitäten – insbesondere körperliches Training- zur Post-Exerzionalen Malaise führen, d.h. zu einer extremen Verschlechterung der Beschwerden. Diese Patient*innen benötigen ein speziell auf sie abgestimmtes Bewegungsprogramm, bei dem die Intensität nur sehr langsam und unter Aufsicht gesteigert werden sollte.

    Psychologische Unterstützung. Menschen mit Fatigue profitieren von psychotherapeutischer Unterstützung. Neben der Aufklärung über die Erkrankung und Tipps zum Selbstmanagement hilft einigen Betroffenen auch die kognitive Verhaltenstherapie. Für Krebskranke stehen in der Regel Psychoonkolog*innen bereit, um Grunderkrankung und begleitende Fatigue besser zu bewältigen.

    Mind-Body-Therapien. Für Menschen mit Fatigue ist es besonders wichtig, auf sich zu achten, die eigenen Belastungsgrenzen frühzeitig zu erkennen und vorsichtig mit sich umzugehen. Unterstützt wird dies durch verschiedene Verfahren wie Achtsamkeitstraining, Atemübungen, Tai Chi und QiGong. Auch Entspannungsübungen oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen sind nützliche Hilfsmittel.

    Medikamente. Spezielle, bei Fatigue wirksame und zugelassene Medikamente gibt es nicht. Manchmal setzen Ärzt*innen antriebssteigernde Substanzen wie Amphetamine ein. In seltenen, besonders ausgeprägten Einzelfällen ist unter engmaschiger ärztlicher Aufsicht auch das aufmerksamkeitssteigernde Methylphenidat eine Option. Wird die Fatigue durch eine zugrundeliegende Depression ausgelöst, können Antidepressiva helfen. Ist dagegen eine Fatigue der Auslöser für depressive Verstimmungen, helfen Antidepressiva nicht. Für Ginseng wurde eine Wirksamkeit bei Krebspatient*innen mit Fatigue nachgewiesen. Vor der Einnahme ist jedoch ärztlicher Rat einzuholen: Ginsengpräparate gelten zwar als sicher, können aber bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente Wechselwirkungen hervorrufen.

    Hinweis: Vor allem im Internet wird zur Behandlung der Erschöpfung Modafinil empfohlen. Dieses Medikament bessert zwar die Krankheit Schlafsucht (Narkolepsie). In Studien mit Fatiguekranken war die Substanz jedoch wirkungslos.

    Den Alltag trotz Fatigue bewältigen

    Die Fatigue ist für Betroffene eine große Belastung im Alltag. Um Beruf, Freizeit und Familienleben zu meistern, gilt es, Strategien für den Umgang mit der Erschöpfung zu entwickeln. Hilfreich sind dabei folgende Tipps:

    • Aktivitäten planen und einteilen. Um Überanstrengungen zu vermeiden, sollten Aktivitäten über den ganzen Tag hinweg verteilt und regelmäßige Pausen eingelegt werden.
    • Prioritäten setzen. Es ist wichtig, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren und weniger wichtiges wegzulassen. Um die Lebensfreude nicht zu verlieren sollten aber nicht nur Pflichten, sondern auch angenehme Tätigkeiten eingeplant werden.
    • Aufgaben delegieren. Auch wenn es vielleicht unangenehm oder ungewohnt ist: Viele zu erledigende Dinge lassen sich an Familienmitglieder, den Freundes- und Bekanntenkreis delegieren.
    • Termine dosieren. Wenn die Kraft fehlt, sollten Termine verschoben oder abgesagt werden. Trotzdem ist es wichtig, sich nicht zu isolieren. Denn Isolation und Einsamkeit können die Probleme verschärfen und zu depressiven Verstimmungen führen.
    • Auf Schlafhygiene achten. Am besten ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus, bei dem man jeden Tag zur gleichen Zeit zu Bett geht und aufsteht. Entspannungstechniken und eine ruhige, dunkle Umgebung helfen beim Einschlafen.

    Es ist wichtig, Freunde und Familie über die Erkrankung offen zu informieren. Oft fällt es anderen Menschen schwer, die Fatigue zu verstehen. In diesen Fällen können Informationsbroschüren oder Webseiten (z.B. die Seite der deutschen Fatigue-Gesellschaft) Abhilfe schaffen.

    Ob Menschen mit Fatigue arbeitsfähig sind, hängt vom Ausmaß der Erschöpfung und der evtl. zugrundeliegenden Erkrankung ab. Bei schwerer Ausprägung kann eine Berentung erforderlich werden. Im Allgemeinen sind aber fünf Jahre nach Diagnose etwa 60% der Fatigue-Betroffenen berufstätig. Dabei werden häufig individuelle Lösungen gefunden. Nach einer langen Erkrankung ist z.B. die stufenweise Wiedereingliederung in den Beruf möglich. Eine weitere Option ist, die wöchentliche Arbeitszeit zu verringern – evtl. mithilfe einer Erwerbsminderungsrente. Eventuell ist auch eine Umschulung sinnvoll – z.B., wenn die Arbeit körperlich oder geistig zu anstrengend ist.

    Hinweis: In Selbsthilfegruppen können sich Betroffene über die Probleme im Alltag und im Berufsleben austauschen. Für ME/CFS-Kranke gibt es zahlreiche regionale Gruppen, zu finden über https://www.fatigatio.de/wir-fuer-sie/regionalgruppen.

    Quellen: S3 Leitlinie Müdigkeit, Deutsche Fatigue Gesellschaft


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Ältere Frau stochert appetitlos in ihrem Essen.

Geschmacksstörungen den Garaus machen

Nichts schmeckt mehr?
Ob süße Kuchen, deftige Schweinshaxe oder ein edler Wein: Lecker essen und trinken ist ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Ist der Geschmackssinn gestört, fehlt nicht nur der Genuss. Ohne Appetit wird oft zu wenig gegessen und es drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Ursachen für Geschmacksstörungen gibt es etliche, darunter auch Medikamente. Doch was können Betroffene tun, um wieder genussvoll zu schmecken?
  • Warnsignal und Appetitanreger

    Schmecken ist mehr als ein angenehmer Sinneseindruck. Der Geschmackssinn hat eine wichtige Funktion für den Körper, denn er gibt dem Menschen Informationen darüber, ob Nahrung genießbar und bekömmlich ist. Dafür kann der Mensch fünf verschiedene Qualitäten unterscheiden. Jede dieser Geschmäcker hat eine Aufgabe, die z.T. in früheren Zeiten ernährungsphysiologisch von großer Bedeutung waren.

    • Süß wird durch Kohlenhydrate und einige Proteine vermittelt. Ein süßer Geschmack weckt die Lust auf kalorienreiche Nahrung geweckt. In Zeiten des Nahrungsüberangebots unterstützt die Empfindung „süß“ und der dadurch ausgelöste Wunsch nach „Mehr“ allerdings die Entwicklung von Übergewicht.
    • Sauer wird durch Wasserstoffionen (H+) ausgelöst. Säure warnt z.B. vor unreifen Früchten, vergorenen oder verdorbenen Speisen.
    • Salzig wird durch andere Ionen hervorgerufen, u.a. durch Natrium-, Kalium- und Chloridionen. Der Salzgeschmack ist wichtig für den Elektrolythaushalt. Ist der Salzgehalt im Blut zu niedrig, lösen salzige Speisen die Lust auf mehr davon aus.
    • Bitter kommt durch viele verschiedene Substanzen zustande. Dazu gehören Koffein und Chinin, aber auch Tannine im Wein, Flavonoide in Schokolade sowie Strychnin und Nikotin. Ein sehr starker Bittergeschmack kann den Würgereflex auslösen und damit vor Vergiftungen schützen.
    • Umami (oder auch würzig, herzhaft) wird vor allem durch die Aminosäuren Glutamat und Aspartat vermittelt. Die Geschmacksempfindung weckt den Wunsch nach weiterer proteinreicher Nahrung.

    Aufgenommen wird der Geschmacksreiz über Rezeptoren, die Geschmackssinneszellen. Sie leiten den Reiz dann über Nervenfasern an das Gehirn. Die entsprechenden Nerven sind der Fazialnerv (Gesichtsnerv), der Vagusnerv und der Zungen-Rachen-Nerv. Im Geschmackszentrum der Großhirnrinde wird der Sinneseindruck dann verarbeitet und interpretiert.

    Von den Geschmackssinneszellen gibt es drei verschiedene Typen: Eine für süß, bitter und umami, eine für salzig und eine für sauer. Die Geschmackssinneszellen sind zu Geschmacksknospen angeordnet, wobei jede einzelne Geschmacksknospe alle drei Arten von Sinneszellen enthalten kann. Erwachsene haben bis zu 8000 solcher Geschmacksknospen, die Anzahl nimmt allerdings mit dem Altern ab. Die Knospen sitzen am weichen Gaumen, im Rachen, am Kehlkopf und vor allem in den Geschmackspapillen auf der Zungenoberfläche.

    Geschmack kommt allerdings nicht allein durch die Geschmacksknospen zustande. Um Speisen allumfänglich genießen und schmecken zu können, benötigt der Mensch auch den Geruchssinn. Das merkt man schon daran, dass bei Erkältung mit verstopfter Nase vieles nicht mehr so wie gewohnt schmeckt. Auch die Konsistenz und die Oberflächenbeschaffenheit der Nahrung spielt eine Rolle: Sie wird über sensible Nervenfasern erfasst. Geschmack, Geruch und Gefühl zusammen bilden das vollständige Geschmackserlebnis.

    Hinweis: Scharf ist keine Geschmacksempfindung. Schärfe wird durch die Substanz Capsaicin ausgelöst und über sensible Nervenendigungen des Trigeminusnerven vermittelt.

    Wenn Süßes bitter schmeckt

    Es gibt zwei Gruppen von Geschmacksstörungen: Am häufigsten beklagt werden qualitative Veränderungen des Geschmacksempfindens. Bei einer Parageusie (gesprochen Pa-ra-ge-u-sie) nimmt die Betroffene Geschmack anders wahr, oft wird z.B. salzig oder süß als bitter empfunden. Manchmal kommt es auch zu Geschmackseindrücken ohne jeden Reiz, dann spricht man von einer Phantogeusie.

    Quantitative Geschmacksstörungen, also Veränderungen der Geschmacksintensität, sind seltener. Bei der Hypogeusie ist der Geschmack vermindert. Sie soll bei etwa 5% der Allgemeinbevölkerung vorliegen. Dabei können alle fünf Qualitäten oder nur eine einzelne Qualität betroffen sein. Der vollständige Verlust der Geschmackswahrnehmung, die Ageusie, ist extrem selten. Das Gleiche gilt für die gesteigerte Geschmacksempfindung (Hypergeusie).

    Die Folgen von Geschmacksstörungen können erheblich sein. Zum einen verringern sie die Lebensfreude, bei manchen Betroffen führen sie sogar zu Depressionen. Geht der Appetit verloren, nehmen vor allem ältere Menschen oft nicht mehr genug Nahrung zu sich. Es drohen Untergewicht und Nährstoffmangel. Manche Betroffene versuchen auch, eine verminderte Geschmacksintensität mit erhöhtem Konsum von Zucker oder Salz auszugleichen. In diesen Fällen steigt das Risiko für Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes mellitus.

    Wo kommt die Schmeckstörung her?

    Die ersten Hinweise auf eine Geschmacksstörung gibt meist die Patient*in selbst. Dann versucht die Ärzt*in, die Schmeckstörung klinisch nachzuweisen. Dazu dienen verschiedene Tests, bei denen die Geschmacksqualitäten erkannt werden sollen, manchmal ist auch ihre Intensität auf einer Skala einzustufen. Bei der Drei-Tropfen-Methode bekommen die Patienten zwei geschmacklose Tropfen (z.B. Wasser) und einen Tropfen mit Geschmack auf die Zunge geträufelt. Nun müssen sie den einen Tropfen mit Geschmack erkennen und seine Qualität benennen (süß, sauer, salzig, bitter). Häufig wird in aufsteigender Konzentration getropft, um die Erkennungsschwelle zu bestimmen. Manchmal werden zum Testen auch feste Schmeckstreifen verwendet.

    Wenn die Ärzt*in eine Geschmacksstörung diagnostiziert hat, muss deren Auslöser gefunden werden. Zu Störungen des Geschmacks kann es auf verschiedene Arten kommen. Hauptursachen sind

    • Schädel-Hirn-Verletzungen. Unfälle und Kopfverletzungen können den Verlauf der Geschmacksnerven beeinträchtigen oder den Geschmacksbereich der Großhirnrinde schädigen.
    • Infektionen. Ein Beispiel ist eine Infektion mit Herpes zoster. Sie schädigen häufig die Schmeckfasern des Fazialnerven. Auch bei COVID-19 sind Geschmack- und Geruchssinnn oft gestört.
    • Kontakt mit toxischen Substanzen. Etliche Arbeitsstoffe können bei ständiger Exposition ohne geeignete Schutzeinrichtung den Geschmackssinn schädigen. Bekannt ist dies von Dämpfen und Partikeln der Metallverarbeitung und bei Verwendung von Lösungsmitteln wie Benzol und Toluol.
    • Operationen oder Bestrahlungen. Bei Eingriffen im Mund, im Gesicht oder am Gehirn werden manchmal Nerven oder Gehirngewebe verletzt. Möglich ist dies z.B. bei Operationen am Zungengrund, Tumorentfernungen oder bei einer Cochlea-Implantation im Mittelohr.
    • Burning-Mouth-Syndrom. Diese Erkrankung tritt vor allem bei Frauen nach der Menopause auf. Dabei kommt es neben dem brennenden Gefühl im Mund zu einem andauernden metallischen oder bitteren Geschmack. Als Ursache werden hormonelle Faktoren, Depressionen oder ein Vitaminmangel diskutiert.

    Daneben gibt es noch eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die das Schmecken beeinflussen. Sie reichen vom Diabetes mellitus über neurodegenerative Erkrankungen und Schilddrüsenerkrankungen bis zu Leber- und Nierenversagen. Auch ein Mangel von Eisen, Vitamin-A, B1, B2 oder B6 kann Geschmackstörungen begünstigen.

    Ein weiterer wichtiger Grund für Schmeckstörungen ist die Einnahme von Medikamenten. Manche Wirkstoffe verringern den Speichelfluss, wodurch die Geschmacksknospen austrocknen und nicht mehr richtig funktionieren. Andere Substanzen schädigen die Mundschleimhaut und damit die Papillen und Geschmacksknospen direkt. Einige greifen auch in die Reizweiterleitung am Nerven ein. Bei vielen Medikamenten ist allerdings noch nicht bekannt, wie sie den Geschmackssinn beeinträchtigen. Typische medikamentöse Geschmacksstörer sind:

    • Antibiotika (z.B. Aminoglykoside, Penicillin, Makrolide, Anti-Pilzmittel)
    • Herz-Kreislauf-Medikamente (z.B. ACE-Hemmer, Betablocker, Amiodaron)
    • Antidepressiva, Antiepileptika, Hypnotika und Sedativa
    • Schmerzmittel (z.B. Fentanyl)
    • Schleimlöser (z.B. Ambroxol)
    • Kortison (vor allem als Spray)
    • Immunmodulatoren (z.B. Interferon alpha, Lenalidomid)
    • Bisphosphonate (z.B. Alendronsäure).

    Trotz der vielen möglichen Auslöser bleibt die Ursache eines gestörten Geschmacks oft unklar. Dann spricht man von einer idiopathischen Schmeckstörung.

    Hinweis. Mangelnde Mundhygiene kann den Geschmackssinn ebenfalls beeinträchtigen. Zu beachten ist allerdings, dass auch die übertriebene Anwendung von Mundwasser manchmal zu Schmeckstörungen führt.

    Von künstlichem Speichel bis Zink Geschmacksstörungen im Zusammenhang mit Systemerkrankungen bessern sich häufig, sobald die Grunderkrankung behandelt oder deren Therapie optimiert wird. Bei einigen der genannten krankheitsbedingten Ursachen erholt sich das Geschmacksempfinden auch von selbst wieder – z. B. nach Schädel-Hirn-Verletzungen oder Infektionen. Auch das Burning Mouth Syndrom bildet sich in etlichen Fällen wieder zurück – was jedoch Jahre dauern kann.

    Je nach vermutetem Auslöser können folgende Maßnahmen den Geschmackssinn wieder auf Trab bringen:

    • Bei trockenem Mund (z.B. durch speichelreduzierende Medikamente) helfen oft Speichelersatzprodukte. Zusätzlich sollte möglichst viel getrunken werden.
    • Sind Nikotin oder Kaffee verantwortlich, gilt es, diese Genussstoffe zu meiden.
    • Haben Medikamente die Geschmacksstörung ausgelöst, erholt sich der Geschmackssinn häufig spontan wieder, wenn das entsprechende Präparat (unter ärztlicher Aufsicht!) abgesetzt oder durch ein anderes ersetzt wird.
    • Werden als Ursache Vitamin- oder Mineralstoffmängel vermutet, lohnt sich deren Nachweis und die Substitution durch Nahrungsergänzungsmittel.

    Für die idiopathische Schmeckstörungen ist Zink eine Option. Die Leitlinie empfiehlt die tägliche Gabe von 140 mg Zinkglukonat über vier Monate. Da diese Dosierung über der empfohlenen täglichen Zinkzufuhr liegt, sollte die Therapie ärztlich überwacht werden. Eine Übertherapie ist zu vermeiden, da ein Zuviel an Zink ebenfalls Geschmacksstörungen auslösen kann. Außerdem droht bei Zinküberschuss ein Kupfermangel.

    Auch je nach Art der Geschmacksstörung gibt es hilfreiche Tipps:

    • Ist nur der salzige Geschmack betroffen, lohnt ein Versuch mit Gewürzsalz (enthält neben Natriumchlorid noch Natriumglutamat).
    • Ist der Geschmack für Süßes gestört, sollte nicht der Zuckerkonsum erhöht , sondern auf Süßstoffe umgestiegen werden.
    • Bei allgemein verminderter Geschmackswahrnehmung hilft es, den Trigeminusnerv anzuregen. Das geschieht durch scharfe Gewürze wie Chili, Ingwer, Meerettich, aber auch durch stark Lebensmittel mit ausgeprägter Oberflächenstruktur wie Fruchtsäfte mit reichlich Fruchtfleisch.
    • Bei starker Hypogeusie helfen manchmal auch künstliche Aromen, um die Lust am Essen zu wecken.

    Schmeckt man zu intensiv oder schmeckt alles unangenehm, können folgende Maßnahmen helfen:

    • regelmäßige Mundspülungen
    • Kaugummikauen
    • Eiswürfel lutschen
    • betäubende Lösungen (Lidocain) als Gel auf die Zunge auftragen oder als Spray in die Mundhöhle sprühen.

    Hinweis: Vor allem bei alten Menschen mit Geschmacksstörungen drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Um dies zu verhindern, muss auf eine ausreichende und ausgewogene Ernährung geachtet werden. Manchmal ist es auch erforderlich, Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen.

    Quellen: S2k-Leitlinie (Langfassung) Riech- und Schmeckstörungen, AWMF-Register-Nr. 017/050 DAZ 2024, Nr. 3, S. 52, 18.01.2024


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